In den letzten beiden Phytohormon Teilen habe ich Euch die Grundlagen und Basics der Signal und Botenstoffe etwas näher gebracht. Wir haben zudem die Funktion und Wirkungsweise der ersten drei Hormongruppen genauer besprochen und deren Verteilung innerhalb der Pflanze erklärt.
Im heutigen dritten Teil, werden wir ein weiteres Phytohormon behandeln, das den meisten Growern bekannt sein dürfte. Es geht um die grosse Stoffgruppe der „Gibberelline“.
Gibberelline oder die bekannteste Abwandlung, die „Gibberellinsäure“ wird vielen Growern ein Begriff sein, doch die Informationen die man in Foren liest sind relativ rar und entsprechen nicht immer der Wahrheit.
Bekannt wurden Gibberelline, auch GA abgekürzt, durch frühere Experimente in denen Züchter und Grower versuchten rein weibliche Pflanzen zum Ausbilden männlicher Blütenstände zu zwingen, um auf diese Weise feminisierte Samen herzustellen.
Ich werde etwas später nochmal auf diese Versuche eingehen und auch erklären warum Gibberelline zur fem. Samen Herstellung nicht geeignet sind und warum es heute viel bessere und einfachere Möglichkeiten gibt.
GA`s gehören zur Gruppe der „Diterpene“ und wurden das erste mal 1926 durch den Japanischen Wissenschaftler „Eiichi Kurosawa“ eher zufällig entdeckt und beschrieben. Mehrere Reis Sämlinge die zu Forschungszwecken angebaut wurden, zeigten völlig überraschend einen spindelförmigen und stark beschleunigten Wuchs. Nach einigen Untersuchungen konnte er auf den Blättern der Reispflanzen einen Pilz (Gibberella fujikuroi) lokalisieren, welcher als Nebenprodukt einen Stoff ausschied, der für diesen starken Wuchs verantwortlich war.
1936 war es erneut ein Japanischer Wissenschaftler der diese Substanz ein weiteres Mal nachweisen und isolieren konnte. Diese Entdeckung blieb lange unbeachtet und erlangte erst in den 60er Jahren, durch die deutsche Firma „Merk“ und die Wissenschaftler „West“ und „ Phinney“, die Aufmerksamkeit von Botanikern und Pflanzen Pathologen. Man stellte fest, das Gibberelline in höheren Pflanzen weiter verbreitet waren, als bis dahin angenommen wurde.Heute kennt man über 125 verschiedene Gibberelline, die sich von ihrer chemischen Struktur untereinander kaum unterscheiden, dafür aber in der Wirkungsweise völlig verschieden sind. Die meisten GA`s die man heute in den Pflanzen findet sind inaktiv. Nur einzelne Botenstoffe der Gibberellin Gruppe sind aktiv und steuern somit auch verschiedene Prozesse im gesamten Stoffwechsel. Die am häufigsten anzutreffende aktive Form ist GA1, wobei man hier aber sagen muss, das es nicht das Gibberellin ist, das die grösste Wirkung innerhalb der Pflanze besitzt. Das aktivste Gibberellin ist auch gleichzeitig das bekannteste- GA3 oder wie in der Einführung schon geschrieben Gibberellinsäure.
Ich will nur kurz auf die chemische Struktur und den Aufbau eingehen, da es sonst zu kompliziert werden würde.
Diterpene oder GA`s bestehen aus vier Isopreneinheiten die durch ein 4-Ringsystem verbunden sind. Man unterscheidet Gibberelline mit 19 und 20 C-Atomen, wobei das 20te Atom in einer Seitenkette angeordnet ist und sich so von den GA`s mit 19 C-Atomen unterscheidet.
Die höchste Gibberellin Konzentration findet man im oberen Bereich der Hanfpflanzen, in den jungen Blättern, dem Achsengewebe und in den heran reifenden Samen. Die GA Konzentration nimmt ab umso näher wir den Wurzeln kommen, doch auch in den jungen Wurzelspitzen kann man eine gewisse Menge an Gibberellinen nachweisen.
Die Vermutung liegt also nahe, das diese Hormongruppe über das Xylem und Phloem weitergegeben und somit spross aufwärts transportiert wird, allerdings werden auch sehr oft nur GA Vorstufen durch die Pflanze geleitet. Eine Umwandlung in aktive GA`s kann an dem Ort passieren, an dem die höchsten Konzentrationen gemessen werden. Doch es muss noch einen weiteren Transportweg geben, da Gibberelline vor allem auch für die Nährstoffproduktion im keimenden Samen verantwortlich sind. Wir wissen seit dem ersten Teil der Phytohormone das Signalstoffe auch von Zelle zu Zelle weitergegeben werden, man spricht hier von einem „symplastischen“ Transport, ähnlich dem von anderen Hormongruppen. In einem Samen passiert nun folgendes. Die „Koleoptile“, also das erste Blattpaar eines Keimlings und das „Scutellum“ synthetisieren Gibberelline und entlassen sie in das Endosperm, dem Nährstoffdepot oder vielmehr dem Nährstoffgewebe eines Samen oder Keimlings.
Die GA`s diffundieren nun durch die Aleuronschicht und aktivieren so die Genexpression, wodurch wiederum Amylasen und Hydrolasen gebildet werden. Als Amylase bezeichnet man Enzyme die Stärke in Glucose und andere Einfachzucker umwandeln können. Diese Einfachzucker sind die Nährstoffe einer jeden Pflanze und in unserem Fall die eines Keimlings oder Sämlings.
Viele Wissenschaftler untersuchen die Biosynthese der Gibberelline, man konnte aber bis heute noch nicht völlig klären wie sie in der Pflanze entstehen und ob es Umwandlungen von inaktiven GA`s zu aktiven Formen gibt oder in wieweit Vorstufen eine Rolle spielen.
Man weiss heute z.B das die Temperatur und auch die Photoperiode zwei sehr wichtige Faktoren bei der Gibberellin Bildung sind. Eine Kältebehandlung erhöht die GA Konzentration genauso, wie eine lange Tageslänge die Oxidase der „Messenger RNA“ (mRNA) steigert oder einfach gesagt die Transkription beschleunigt.
Man weiss heute auch das es ein Zusammenspiel von Auxin und Gibberellin gibt. Ein normales Auxin Level ist z.B nötig, um auch ein normales Level an GA1 zu erreichen. Ist zu wenig Auxin vorhanden, so wird auch die Synthese von GA1 und somit das Wachstum einer Pflanze vermindert werden. Man sieht an dem letzten Abschnitt wie komplex das Zusammenspiel alle Phytohormone ist und das nur geringfügige Änderungen auch zu Problemen beim Anbau von Hanfpflanzen führen kann. Doch hier liegt auch gleichzeitig der Vorteil. Weiss man über diese Vorgänge bescheid, kann man durch Experimente versuchen den Anbau, das Ausreifen von Samen und sogar das Keimen zu optimieren.
Die Wirkung der einzelnen GA`s ist heute aber weitgehend aufgeklärt, man weiss welche aktiven Gibberelline in höheren Pflanzen wie Hanf zu finden sind und welche Prozesse sie steuern.
Von allen heute bekannten GA`s sind nur ungefähr 30% aktiv, von diesen 30% sind wiederum nur einige wenige in Hanf Pflanzen enthalten. Für uns sind vor allem die aktiven Gibberelline GA1, GA3 und GA7 interessant, wobei feminisierungs Experimente ausschliesslich mit GA3 Sinn machen. Die Gibberelline GA4, GA1 und GA7 werden häufig mit anderen Phytohormonen wie NAA oder ISE in Düngemitteln eingesetzt. Die Gabe dieser GA`s hat weit weniger starke Auswirkungen auf Pflanzen wie das für uns interessante GA3.
Die Dosierung von GA3 liegt im Bereich von 20ppm bis hin zu 100ppm. GA3 ist auch bekannt als „Diterpenoid-Carbonsäure“ oder kurz als Gibberellinsäure und wird von verschiedenen Firmen unter Namen wie „Gibb3“ oder „Berlelex“ angeboten. Will man mit diesem Soff experimentieren oder auch eigene Versuche durchführen, sollte man zwei Sachen beachten. Gibberellinsäure ist „stark reizend“, es müssen also verschiedene Sicherheitsaspekte beachtet werden. GA3 ist als leicht kristallines Pulver im Handel erhältlich aber kaum Wasser löslich. Es ist darum nötig die Chemikalie erst in vergälltem Alkohol zu lösen und danach Wasser dazu zugeben, bis die gewollte Dosierung erreicht ist.
Ich empfehle 10mg GA3 mit 10ml Alkohol und 10ml Wasser zu mischen und entsprechend so zu verdünnen, das die Dosierung bei 50-100ppm liegt. Die Pflanze wird nun Tropfnass eingesprüht. Man kann 1-2.Tage später den Vorgang erneut wiederholen und die Pflanzen mit einer niedrigeren Dosis GA3 einnebeln. Nach weiteren 2-3 Tagen wird man erste Veränderungen an der Pflanze wahrnehmen können. Einige Breeder experimentierten auch mit dem einlegen von Hanfsamen in einer GA3 Lösung. Sie erhofften sich so eine weibliche Geschlechtsfestlegung von regulären Samen.
Dieses Ziel ist mit Gibberellinen völlig unrealistisch und gehört in die Abteilung Mythen und Legenden.
Man muss wissen das Gibberelline zwar bei der Keimung helfen aber nicht bei der Festlegung des Geschlechts, vor allem da das Geschlecht der Hanfpflanzen erst in einer späteren Phase bestimmt wird.
Eine Wirkungsweise von GA`s ist die Aufhebung der Keimhemmung bei leicht unreifen Samen, bei verschiedenen„Kaltkeimern“ oder bei Pflanzenarten die nur alle zwei Jahren zum Leben erwachen..
Gibt man diesen Seeds GA3 kann die Hemmung aufgehoben werden und eine Keimung der Samen wird forciert und beschleunigt.
Aber das Behandeln von Hanfsamen ist in meinen Augen völlig unnötig und bringt keinerlei Vorteile, sondern eher Nachteile auf die ich am Ende nochmals eingehen will. Bleiben wir noch kurz bei der Wirkung.
Gibberelline wirken sich sehr stark auf die Zellstreckung und Zellteilung aus. Daraus resultiert ein sehr schnelles Wachstum das mit gelblichen Blättern, dünnen Trieben und dem späteren Umfallen der Pflanze einhergeht.
Auch die Pollenkeimung, also das wachsen des Pollenschlauches beim bestäuben der weiblichen Blüten wird angeregt. Aber auch das ist für alle Hanfbauern weniger wichtig, da der Pollen, sobald er sich auf dem Griffel befindet mit keimen beginnt und der Pollenschlauch innerhalb von 2-3 Tagen das Ovulum erreicht hat und die Befruchtung abgeschlossen ist. Bei einigen Pflanzenarten, die vor allem in der Landwirtschaft angebaut werden, ist es möglich durch GA Zugabe und zusätzliche Auxin Applikationen den Ertrag zu erhöhen. Meist werden Blüten und Calyxe optisch länglicher aussehen und auch die Dichte der einzelnen Blütenkelche wird höher sein.
Allerdings sind diese Ergebnisse nicht so einfach zu erzielen, da Wissenschaftler und Botaniker genaue Dosierungen für eine Pflanzenart über Jahre hinweg gesucht haben. Für uns Grower ist es sehr schwer solche Experimente durchzuführen, da wir in den meisten Fällen zu wenig Wissen über diese Hormone haben und auch nicht über die notwendigen Laborausrüstungen verfügen.
Um wirklich ernsthaft mit Gibberellinen zu experimentieren, muss man wissen wie solche Stoffe funktionieren und welche Prozesse sie vorantreiben und beeinflussen.
Ich gehe in dieser Phytohormon Reihe schon sehr genau auf die Botenstoffe ein, doch sollte man sich bewusst sein, das meine Ausführungen wirklich nur das wichtigste beinhalten. Das Wissen über Alpha.- und Beta.- Amylasen, Genexpressionen, Proteinsynthesen, Transkription und vieles mehr gehört zu den Grundlagen dieser Arbeiten.
Nicht umsonst untersuchen ausgebildete Botaniker, molekular Biologen und Genetiker solche endogenen Prozesse des Pflanzenstoffwechsels.
Aus der Wirkungsweise der Gibberellingruppe leitet sich auch das grosse Problem beim feminisieren mit GA`s ab.
Weibliche Pflanzen die wir mit GA3 einnebeln, um sie zum Ausbildung von männlichen Blüten zu zwingen werden immer auch negative Auswirkungen zeigen. Sie werden extrem schnell wachsen und nach einer gewissen Zeit umfallen bzw. abknicken. Es wird starke Mutationen geben, die sich im schlimmsten Fall auf kommende Generationen übertragen werden. Ein anderes Problem ist die richtige Dosierung. Einige Sorten reagieren auf eine bestimmte GA3 Dosis besser als andere, die bei gleicher Dosierung keine Veränderungen zeigen.
Aus diesem Grund ist das Arbeiten mit Gibberellinen zum herstellen von feminisiertem Saatgut für uns nicht interessant und schon gar nicht zu empfehlen. Es gibt heute Kolloid Silber oder die Möglichkeit mit STS zu arbeiten um feminisiertes Saatgut herzustellen.
Das man mit GA`s feminisieren kann stammt von einer früheren aber längst widerlegten Annahme.
Hier muss ich aber etwas ausholen. Hanf Pflanzen gehen bei einer bestimmten Tageslänge in die Blütephase über. Nun muss es ein Signal geben, das den Pflanzen sagt, das die kritische Tages/Nachtlänge erreicht ist und die Blütephase beginnt. Durch die Gabe von GA3 konnte man die Blüte bei einigen Pflanzenarten trotzdem einleiten, auch wenn die Lichtphase noch bei 18h lag.
Man nahm nun an, das Gibberellin dieses Signal steuert oder gar dafür verantwortlich ist.
Nach wissenschaftlichen Untersuchungen wurde festgestellt, das bei verschiedenen Arten,bevor sie in Blüte gehen, eine gewisse Verlängerung der Sprossachse vorher geht. Gibberelline unterstützen diesen Prozess des Wachstums und forcieren aus diesem Grund auch die Blütenbildung aber sie geben nicht das Signal zur Blüteninduktion.
Kurztagespflanzen bei denen keine Streckung der Sprossachse vorher geht, fangen auch bei zusätzlicher GA3 Gabe nicht mit blühen an.
Das Signal zur Blüteninduktion gibt ein anderes Hormon. Es gibt in der gesamten Botanik und in der molekular Genetik keinen anderen Stoff der so lange unbekannt war. Man wusste das es dieses Hormon gibt, doch konnte man es nicht wirklich isolieren oder gar charakterisieren.
„Florigen“ ist ein Antagonist, also eine Substanz die selber keine Wirkung besitzt aber durch die Bindung an verschiedene Rezeptoren andere Hormone blockieren oder hemmen kann. Erst dadurch entsteht eine Wirkung bzw. eine Funktion, die den Pflanzen Stoffwechsel beeinflusst oder ändert.
Aber Florigen ist ein Thema für sich und würde den Rahmen unseres Textes sprengen. Vielleicht gehe ich in einem der nächsten zwei Teile nochmal genauer auf dieses Hormon oder den Hormoncocktail ein.
Auf jeden Fall auch ein sehr spannendes Thema, das man abhandeln könnte.
Quelle: Alpine Seeds