Willkommen zum zweiten Teil unserer Phytohormon Reihe. Ich werde drei einzelne Hormone oder Molekülklassen genauer unter die Lupe nehmen und ich werde versuchen die Wirkungsweise und die Weitergabe innerhalb einer Pflanze zu erklären. Ihr werdet sehen wie wichtig diese Botenstoffe sind und das wir diese auch für uns nutzen können.
Fangen wir bei einem der wichtigsten Phytohormone an. „Auxine“ übernehmen in der Hanfpflanze sehr viele Aufgaben, sie regeln und steuern diverse Prozesse und sind darum unverzichtbar für jede Art von grünen Pflanzen und auch für einige Pilzarten.
Doch was sind Auxine überhaupt? Auxin ist eine Molekülklasse, die eine Gruppe von verschiedenen Phytohormonen die alle eine sehr ähnliche Chemische Struktur haben und in etwa gleich wirken, beschreibt. Zur Gruppe der Auxine gehören natürliche aber auch synthetisch hergestellte Stoffe. Das bekannteste natürliche Auxin ist „Indol-3-Essigsäure“, auch „IES“ abgekürzt. Dieses Phytohormon ist ein Tryptophanderivat. Zwei andere Auxine sind „Methyl-4-chlorindol-3-acetat“ und „Indolacetylaspartat“. Diese Stoffe unterscheiden sich von IES nur in ihrer chemischen Struktur und ein wenig in ihrer Wirkungsweise. Aber keine Angst, die beiden letzt genannten lassen wir heute aussen vor. Uns geht es hier vorrangig nur um IES, da es das wichtigste Auxin in einer Pflanze ist. Auxine werden an verschiedenen Stellen gebildet. In den Wurzeln, an jungen Trieben oder auch im Spross (Koleoptil). Man muss dazu aber sagen, das die aktive Form dieses Hormones im oberen Teil der Hanf Pflanze gebildet wird. Die Konzentration liegt im Schnitt bei 10 hoch 8 bis 10 hoch 6 Mol/L. Der Transport von IES erfolgt polar. Das heisst das die Bildung oben erfolgt und durch Transportwege nach unten gerichtet verläuft. Aber wie sollen die Auxine nach unten gelangen wenn der Pflanzensaft über das Xylem nach oben fliesst? Auxine sind die einzige Phytohormone die von oben nach unten transportiert werden können. Alle anderen Signal und Botenstoffe werden immer von unten nach oben geleitet. Es gibt mehrere, leicht unterschiedliche Transportwege. IES kann von z.B. Zelle zu Zelle transportiert werden, es ist in diesem Falle an Proteine gebunden und wird durch die Zellmembran geschleust bzw. diffundiert. Die Transportgeschwindigkeit liegt hier bei 1cm/h. Ihr lest richtig. Man kann die Geschwindigkeit des IES Transportes wirklich messen. Das schafft man durch verschiedene Experimente und hoch technologische Nachweisverfahren. Auxine können aber auch durch das Phloem transportiert werden vor allem dann, wenn es lange Wege in der Pflanze zurücklegen muss. Das „Phloem“ ist ganz grob gesagt ein Leitbündel durch das Zucker und verschiedene Proteine und Aminosäuren in der Pflanze verteilt werden. Es gibt spezielle Zellen die auch einen polaren Transport zulassen.
Das beste Beispiel eines Phloem Transports ist der Zucker. In der Pflanze wird mit Hilfe der „Chloroplasten“ Photosynthese betrieben um Energie zum Wachstum oder zur Blütenbildung gewinnen zu können. Grosse Sonnensegel haben eine viel grössere Fläche als kleine Blütenblätter und können somit viel mehr Energie gewinnen. Doch diese Energie in Form von Zucker wird nun auch in den unteren Blüten gebraucht damit diese wachsen können. Auch hier leitet das Phloem die Zuckerverbindungen vom Ort der Photosynthese z.B vom oberen Teil der Pflanze der mehr im Licht steht als der untere, zu den Bereichen in der die Energie gebraucht wird z.B zu den unteren Blüten.
Den gleichen Transportweg nutzt nun auch IES um vom oberen Teil der Pflanze zu den Wurzeln zu gelangen.
Auch hier war es möglich eine Geschwindigkeit zu messen, in einer Stunde legen Auxine 20-30cm in der Pflanze zurück. Für eine Pflanze, ein extrem schneller Transport, auch wenn dieser Sauerstoffabhängig ist. Ist nur wenig O2 vorhanden wird der Transport nur sehr langsam von statten gehen. Es kommt auch darauf an welches Auxin transportiert wird. IES wird schneller durch das Phloem geleitet als 2.4-Dichlorphenoxyessigsäure.
Man sollte auch wissen das es möglich ist den Transport von Auxinen durch Inhibitoren zu blockieren. Inhibitoren sind Hemmstoffe die in der Chemie und in der Medizin angewendet werden. Die bekanntesten sind wohl die Antioxidantien in Lebensmitteln.
Aber kommen wir nun zur Wirkungsweise. Auxine haben sehr viele spezifische Aufgaben in einer Pflanze.
Auxine bezeichnet man auch als Streckungssubstanz. In geringen Konzentrationen fördert sie das Streckungswachstum von Koleoptilen, der Sprossachsen und der Wurzeln. Ist die Auxin Konzentration sehr hoch wird das Wachstum nicht etwa weiter verbessert, es wird gehemmt und zum Stillstand gebracht. Der Grund ist Ethylen, ein weiteres Phytohormon welches in einer zu hohen Konzentration das Wachstum der ganzen Pflanze hemmt. Durch ein zu hohes Auxin Level wird gleichzeitig mehr Ethylen produziert, welches dann das Wachstum hemmt und sogar zum Stillstand bringt. Auxine kontrollieren und regeln den Blattfall an einer Pflanze, sie fördern das Wachstum junger Triebe und Wurzeln, sie steigern die Zellteilung des Kambiums und stimulieren auf diese Weise das Dickenwachstum des Stammes. Zusätzlich wird die Plastizität der Zellmembran verändert, was einen besseren Protonenefflux zum Ergebnis hat. Auxin hat einen Einfluss auf die Transkriptionsrate oder einfach gesagt auf eine gesteigerte Zellteilungsrate, es steuert die Aktivität von vielen Enzymen und sorgt so für kraftvolle Pflanzen.
Auch die Blütenbildung wird unter anderem durch Auxine gesteuert und koordiniert aber diese Funktion ist nicht primär und kann vernachlässigt werden. Man könnte die Wirkungsweise noch um weitere Prozesse erweitern, was aber an dieser Stelle nicht unbedingt nötig ist.
Man sieht an wie vielen Aktivitäten Auxine beteiligt sind und welchen grossen Nutzen sie haben.
Doch was kann man als Grower aus diesen Fakten lernen?
Es zeigt das viel nicht immer viel bringt und sogar negative Auswirkungen haben kann. Jeder der schon mal Stecklinge geschnitten hat kennt „Indol-buttersäure“, einen synthetisch hergestellten Stoff der in vielen Produkten wie „Clonex“ und anderen Stecklings und Wurzelstimulatoren enthalten ist. „Indol-buttersäure“ ist „Indol-3-Essigsäure“ sehr ähnlich und hat im Grunde genommen eine gleiche Wirkung. Schneidet man jetzt Stecklinge reicht es eine kleine Menge Clonex zu verwenden, da zu viel davon das neue Wurzelwachstum hemmen kann. Man könnte die Pflanze einnebeln, um damit das Wachstum zu stimulieren aber auch hier ist es ein sehr schmaler Grad zwischen positiv und negativen Folgen. Es gibt synthetisch hergestellte Auxine, die man auch als Stärkungsmittel verwenden könnte. Die Liste mit weiteren Möglichkeiten ist lang. Wer wirklich ein wenig mit Auxinen experimentieren will sollte sich vorher nochmals ausführlich damit beschäftigen. Das was ich Euch hier mitgebe ist nur ein Tropfen auf dem heissen Stein.
Das nächsten Phytohormon dem wir uns widmen wollen sind „Jasmonate“. Diese Gruppe der Botenstoffe wurde erst vor wenigen Jahren nachgewiesen und untersucht. Der Name „Jasmonate“ leitet sich von „Jasmin“ ab, einer Pflanzenart in der dieser Signalstoff zuerst entdeckt wurde.
Diese Phytohormone können wie alle anderen Botenstoffe eine hemmende und eine aktivierende Wirkung haben. Sie sind vor allem an Pflanzeneigenen Abwehrmechanismen beteiligt aber auch die Regulation der gesamten Pflanzenentwicklung wird durch sie mit bestimmt.
Darüber hinaus steuern und regulieren Jasmonate die Transkription verschiedener RNS-Klassen (Ribonukleinsäure) und senken die Bildung der essentiellen „Housekeeping“ Proteine. Nun wird sich jeder Fragen was denn „Housekeeping Proteine“ sind. Der Begriff umschreibt einfach Makromoleküle aus denen Aminosäuren aufgebaut sind und die grundlegende Funktionen in der Zelle, der DNA, RNA und anderen Zellprozessen übernehmen. Auch die Keimung von Hanfsamen kann durch Jasmonate beeinflusst werden, man findet Spuren dieses Hormons auch in der Nährstoffhülle der Samen, im sogenannten „Endosperm“.
Die wichtigste und für uns interessanteste Funktion ist die Reaktion bzw. das Entgegenwirken bei Krankheiten und Pilzbefall. Man kann die Jasmonat Synthese durch die Gabe von „Cycloheximid“ beeinflussen und somit auch die Wirkungsweise und Funktionen hemmen oder aktivieren. Der Schlüssen hierbei ist die genaue Dosierung.
Viele Pflanzenhilfsmittel zur Stärkung und zur Stimulation der Abwehrkräfte enthalten synthetisch hergestellte Stoffe die dem Chemischen Aufbau von Cycloheximid sehr ähnlich sind und auch entsprechend wirken.
Man weiss auch heute nur sehr wenig über diese Gruppe von Phytohormonen aber auch sie erfüllen eine ganz spezielle Funktion in einer Cannabispflanze.
Über die letzte Gruppe der Botenstoffe weiss man mehr. Es geht um „Cytokinine“. Diese Gruppe wurde 1956 entdeckt und enthält über 40 Molekülstrukturen die verschiedene Funktionen in einer Pflanze steuern und koordinieren. Cytokinine sind „Adeninderivate“ die in unterschiedlichen Formen vorkommen und als äusserst aktiv gelten.
Man findet sie als freie Basen, Nukleoside oder auch als Nukleotide. Die bekanntesten Phytohormone aus der Klasse der Cytokinine sind „Zeatin, Kinetin und Dihydrozeatin“
Die Wirkung dieser Signalstoffe ist breit gefächert. Die wichtigsten Funktionen werden wir kurz ansprechen.
Cytokinine sind ausgesprochen aktiv und beeinflussen die Zellteilung. Zum Vergleich. Auxine steuern die Streckung der Zellen, also auch die Streckung der gesamten Pflanze z.B in den ersten drei Blütewochen.
Kinetin und andere Cytokinine beeinflussen nicht die Zellstreckung, sie greifen direkt in die „Mitose“ (Zellteilung beim Wachstum) ein. Sie verzögern die Seneszenz von Cannabispflanzen oder einfacher ausgedrückt, sie verhindern den Alterungsprozess von pflanzlichen Zellen und wirken dem Welken entgegen. Cytokinine können die Auxinsynthese steigern, sie fördern die Knospen und Blütenbildung und helfen sogar bei der Keimung von Samen. Ähnlich wie Jasmonate findet man Cytokinine auch im Endosperm (Nährstoffhülle) eines Samens. Die Boten.- und Signalstoffe der Cytokininegruppe sind in der Pflanze an Proteine oder Aminosäuren gebunden, sie können aber auch wie Auxine glykosyliert sein. Auf diese Weise werden sie in der Pflanze transportiert.
Eine andere, sehr wichtige Aufgabe dieser Phytohormone ist die Steuerung der DNS-Replikationsrate, der Protein und der RNS-Synthese. Dies ist der Grund warum Cytokinine die Zellteilungsrate sehr stark beeinflussen und steigern können. Eine schnellere Zellteilung hat natürlich auch ein schnelleres Wachstum und eine gesteigerte Performance der gesamten Pflanze zum Ergebnis. Heute ist es möglich über 100 synthetische Cytokininederivate künstlich herzustellen. Verwendung finden diese in Pflanzenstärkungsmittel in der Landwirtschaft und beim kommerziellen Obst und Gemüseanbau. Wer die Wirkung der Cytokinine an seinen eigenen Pflanzen erleben möchte, kann auf einen kleinen Trick zurück greifen. Dieses Experiment funktioniert sehr gut auf sterilen Medien wie Steinwolle, Cocos, Mapito oder Blähton. Man weicht das Medium zwischen 24 und 36h in Kokosmilch ein, setzt seine Stecklinge oder Keimlinge ins System und wartet was passiert. Man wird schnell merken das die Pflanzen innerhalb von wenigen Tagen ein gesteigertes Wachstum zeigen und sehr schnell grösser werden. Ihr werdet Euch jetzt sicherlich fragen was das besondere an Kokosmilch ist und warum sie für dieses schnelle Wachstum sorgt.
Kokosmilch ist eine natürliche Quelle für viele Cytokinine, das wichtigste Hormon welches man auch in der Kokosmilch wieder findet ist „Kinetin“ oder „6-Furfurylaminopurin“. Kinetin ist in der Pflanze sehr aktiv und besitzt eine grosse Wirksamkeit. Ihr werdet staunen mit welcher Effizienz und Geschwindigkeit die Pflanzen wachsen werden und alles nur durch die Zugabe eines natürlichen Phytohormons.
Cytokinine werden in kleinen Mengen hauptsächlich in den Wurzeln aber auch in jungen Trieben oder sogar in den Blüten produziert. Der Transport dieses Signalstoffes findet nur über das Xylem statt, also über die gleiche Bahn in der auch der Wassertransport in der Pflanze abläuft. Dementsprechend schnell ist die Geschwindigkeit mit der die Pflanze den Botenstoff verteilen kann. Diese Phytohormone wirken nicht nur alleine, sie können auch mit anderen Botenstoffen wie Auxin oder Gibberiline eine Bindung eingehen und andere Funktionen in der Pflanze steuern.
Hier kommt es vor allem auf das Verhältnis der Hormone zueinander an. Kinetin und IES (Indol-3-Essigsäure/Auxine) im richtigen Verhältnis bewirkt das gewisse Differenzierungsschritte schneller von statten gehen. Differenzierung heisst nichts anderes als das sich Pflanzenzellen entscheiden welche Funktion sie in der Pflanze übernehmen. Es gibt einige Zellen die undifferenziert sind, diese haben keine vorgegebene Funktion die sie ausführen müssen. Diese Zellen können durch weitere Teilung die Funktion eines Triebes oder eines Blatt ausführen. Sie können aber auch genauso gut die Funktion einer Wurzelzelle übernehmen. Ein richtiges Verhältnis von Kinetin und IES unterstützt diesen Prozess. Cytokinine sind neben Auxin, Ethylen und Gibberiline wichtige und für uns Grower sehr interessantes Phytohormone welche bestimmte Prozesse in der Pflanze und in den Zellen fördern.
Jeder Grower sollte sich über die Bedeutung und über die Wirkungsweise der verschiedenen Hormone im klaren sein. Das verstehen der Vorgänge welche Phytohormone auslösen, hilft uns die Wirkungsweise von Pflanzenstärkungsmittel oder Stimulatoren zu verstehen und gegebenenfalls selber Hand an zulegen um die Performance und die Bedingungen bei einem Grow zu optimieren. Das Wissen über Signal und Botenstoffe kann uns helfen die Pflanze im Kampf gegen Pilze und andere Krankheiten zu unterstützen.
Im dritten Teil der „Phytohormon“ Reihe werden wir uns mit Ethylen, Gibberiline und der Abscisinsäure ausführlich befassen und bis ins Detail erklären. Ich werde Euch eine neue Substanz vorstellen die beim feminisieren von rein weiblichen Pflanzen die Ethylensynthese viel besser und spezifischer blockiert als Silbernitrat oder Colliodid Silber.
Ich werde die Funktion der Gibberiline beschreiben und versuchen zu erklären wie man diesen Botenstoff zu seinen Gunsten beeinflussen kann.
Ich verspreche nicht zuviel wenn ich sage das Teil drei sehr interessant wird und viele Tips und Tricks zu Hormonen und deren Beeinflussung enthält.
Quelle: Alpine Seeds